Keine rauchenden Colts, sondern friedliche Koexistenz – das ITF AM Hausler Hof.
Der sanfte „Wild West“
Bleiern schwer liegt die schwüle Luft an diesem Wochenende über dem „Lake Hausler“ zwischen den weißen Zeltplanen Isar Valley, Beaver Creek Mohawk, Howie Powderface, Hummelchen, Cherokee Place, Deer Mountain und anderen. Rhythmischen Trommeln und monotone Gesänge indianischer Musik zeugen von einem großen „Powwow“ in unmittelbarer Nähe und begleiten den jährlichen Rastplatz der durch die unendliche Prärieweite ziehenden Freunde des gepflegten Wilden Westens. „Es läuft erstaunlich gut, weil das Wetter noch hingehauen hat“, zieht “Marshall” und Organisator des Indianer und Trapper Festivals (ITF), Andy Streit, eine erste Bilanz. Nur wenige Tage zuvor droht der Veranstaltung wegen des andauernden Regens ein „Wacken 2.0“. „Das alles aufzubauen war eine Herausforderung. Aber wir haben keine Sekunde nachgedacht, es abzusagen. Wir sind einfach hoffnungsvoll geblieben, dass unsere gesamten Mühen der Vorbereitung, Planungen und Gespräche mit Behörden belohnt werden“, atmet Streit durch.
Geballte Manpower
Insgesamt sind 70 Helfer zwölf Tage im Einsatz, um den Traum aller „Hobbyisten“ und „Authentiker“ auf dem 60 000 Quadratmeter großen Gelände wahrzumachen. „Wir haben täglich zwischen drei und fünf Stunden geschlafen, ansonsten nur gearbeitet, alle ehrenamtlich. Viele haben ihren Jahresurlaub eingebracht, das ist wirklich Wahnsinn“, zeigt sich Andy Streit über die Treue seines Teams begeistert. Neben den Lagermöglichkeiten bietet das beliebte Festival Zuschauer-Attraktionen wie Motorsägenschnitzen, Bogenschießen, Westernreiten, Country Musik, Line-Dance Workshops und einiges mehr für die Fans von Wyatt Earp, Calamity Jane und Crazy Horse.
Bestens ausgestattet
Die Freizeit-Trapper und Indianer haben es sich mit allem, was das Leben in der nordamerikanischen Wildnis des 19. Jahrhunderts so faszinierend macht, eingerichtet. So sitzen „Gogo & Jackie“, die „James Th. Peacock“ oder auch die „The Newman Family“ an stabilen Holztischen auf gemütlichen Sitzbänken, halten in robusten Betten ein Nickerchen oder wippen im Schaukelstuhl, alles kuschelig drapiert mit reichlich echten Fellen. Sogar ganze Waschkommoden sind dabei – schließlich will ein echter Siedler nicht ungepflegt daherkommen, vor allem aber auch nicht mit leeren Magen. Überall brutzelt, zischt und brodelt es über lodernden Flammen in großen Metalltöpfen. Die feinen Raucharomen lassen Siedlern wie Besuchern das Wasser im Mund zusammenlaufen. Für den abgerundeten Geschmack sorgt frisches Grün aus dem eigens gebauten Kräutertopf-Garten.
Ober-Sheriff und Organisator Andy Streit: „Wir wollen Rücksicht, Toleranz, Respekt und Fairness!“
Die Nadel im Heuhaufen
Helga und Speedy haben sich dem großen Treck 2023 neu angeschlossen: „Das hier ist eine Ausnahme für uns. Normalerweise sind wir auf Lagern aus dem 18. Jahrhundert“, erklären die beiden. „Nach zwölf Jahren haben wir immer noch Teilnehmer, die zum ersten Mal hier sind. Anfangs haben sie vielleicht Berührungsängste, die kommen aber schon am zweiten Tag zu mir und sagen, dass sie die tolle Atmosphäre und das menschliche Miteinander hier wirklich spüren“, freut sich Andy Streit. Selbst Schurken oder gar Outlaws sind auf dem Festival eher harmoniebedürftig. Der einzige Wermutstropfen oder Unruhe kommen von außerhalb der Lagerstätte: „Leider gibt es von Wenigen Unverständnis für derartige Veranstaltungen“, bedauert Streit.
Howdy & ça va bien!
Auffällig ist die Kette, die Helga um den Hals trägt, eine stilisierte Lilie und sie ist nicht nur dort zu finden. Neben Fellen und Decken auf den Betten liegen Kissen, die ebenfalls mit der berühmten Blume des französischen Königswappens bestickt sind: „Wir stellen französische Einwanderer dar, das Leben um 1750, also bevor die Vereinigten Staaten entstanden sind. Vielleicht kommt meine Faszination daher, weil meine Vorfahren zum Teil aus Elsass-Lothringen kommen“, meint Speedy. Gemeinsam üben die beiden seit mehr als 20 Jahren ihr Hobby aus und wollen alles so authentisch wie möglich umsetzen. „Wir versuchen Materialen, zum Beispiel gewebte Stoffe zu bekommen, die alt sind, also nicht bedruckt.“
ITF-Charity
Ein paar Zelte weiter schwitzt „Dolores“ entspannt mit Familie und Freunden in stilechter selbstgenähter Kleidung. Ihre Nähkünste sind weithin legendär. Die Meisterin der schnellen Nadel steuert in diesem Jahr, zusammen mit Karin, die nur wenige Meter entfernt “wohnt”, etwas zur traditionellen Versteigerung bei: „Wir haben zuhause das grobe Gerüst eines Quilts vorbereitet und hier fertiggestellt.“ Die bemerkenswerte Handarbeit bringt schließlich 450 Euro für den guten Zweck. „Wir spenden die Gewinne aus der Veranstaltung, Eintritte, Tombola und Spenden. Damit unterstützen wir seit Jahren das ambulante Kinderhospiz München, das Jugendzentrum Hallbergmoos und den Greifvogelpark Menter“, erläutert Andy Streit. Seit 2012 sind das inzwischen mehr als 50.000 Euro: „Wir wollen Geld bewusst hier in der Region spenden und so gewährleisten, dass jeder Euro ankommt. Inzwischen ist eine gute Bindung zu den jeweils Verantwortlichen entstanden, die uns immer wieder rückmelden, wie sie das Geld verwenden“, so Andy Streit, der abschließend zufrieden resümiert. „Dieses Lager hat erneut gezeigt, wie gut und großzügig die Leute hier drauf sind. Hier geht es um Rücksicht, Toleranz, Respekt und Fairness. Ich möchte hier einfach ein Fest haben, auf dem sich alle vertragen und das gelingt uns.“
„Die letzten 12 Tage bestanden aus täglich zwischen drei und fünf Stunden Schlaf, ansonsten haben wir nur gearbeitet, alle ehrenamtlich. Viele haben ihren Jahresurlaub eingebracht, das ist wirklich Wahnsinn“
Hier geht es um Rücksicht, Toleranz, Respekt und Fairness. Ich möchte hier einfach ein Fest haben, auf dem sich alle vertragen und das gelingt uns.“
Andy Streit, Organisator ITF-Festival.
„Wir stellen französische Einwanderer dar, das Leben um 1750, also bevor die Vereinigten Staaten entstanden sind. Vielleicht kommt meine Faszination daher, weil meine Vorfahren zum Teil aus Elsass-Lothringen kommen“
„Speedy“, „Frankophiler Immigrant“.
„Wir haben zuhause das grobe Gerüst eines Quilts vorbereitet und jetzt hier fertiggestellt.“
„Dolores“, Nadelexoertin.
Für Sie berichtete Mooskurier.
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