Im Klärwerk von Hallbergmoos

Kategorie: Aktuelles

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V.l.n.r.:  Klärwerksleiter Konrad Mittermeier, Stellvertreter Markus Wieser und Herbert Schäfer

Traumjob mal anders

Mal drückt es vorne, mal hinten, mal sowohl als auch. Mehrfach täglich ist der Gang aufs stille Örtchen unvermeidbar. Nach Erledigung der persönlichen Geschäfte sorgt gewöhnlich die Betätigung der Spültaste für den diskreten Abfluss der Hinterlassenschaften durch ein Rohr – so weit, so gut. Auch Duschwasser oder Spülwasser fließen so ins scheinbare Nirgendwo. Was danach damit passiert, möchte nahezu niemand so genau wissen, frei nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn – Hauptsache es läuft. Rund 125 Liter Abwasser durchschnittlich produziert jeder Einwohner in Deutschland täglich, für Hallbergmoos sind das im vergangenen Jahr insgesamt rund 700.000 Kubikmeter Abwasser, die im Kanal landen. Damit nichts in Stocken gerät, kümmert sich das Team der Kläranlage um den reibungslosen Ablauf, sogar dann, wenn die Anlage in die Jahre gekommen ist und viele Renovierungs- und Umbaumaßnahmen anstehen: „Wir sind zu viert und alle sehr gut ausgebildet, haben zum Beispiel einen Kfz-Meister unter uns“, sagt Konrad Mittermeier, selbst Abwassermeister und Leiter der Kläranlage.

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Etwas Gutes tun

Seit 1990 ist Konrad Mittermeier in der Gemeinde beschäftigt, ein echtes Urgestein also. Ursprünglich beginnt er als junger Mann im Bauhof, bis ihn der damalige Bauhofleiter, gleichzeitig sein Onkel, den Job in der Kläranlage schmackhaft machen möchte: „Niemals hätte ich das gedacht, aber irgendwann habe ich doch hier angefangen und heute liebe ich meine Arbeit, weil sie einfach unglaublich vielfältig ist, viel mit Technik, Chemie und Biologie zu tun hat“, versichert Mittermeier. „Ich musste auch zwei Kollegen überreden, zu uns zu kommen. Jetzt im Nachhinein sagen sie, es sei ihr Traumberuf.“ Die Arbeit sei herausfordernd, aber nie langweilig: „Wir sind einer der wenigen Berufe, die der Natur etwas Positives zurückgeben. Wir machen nichts kaputt, sondern reparieren“, begründet Mittermeier. „Wenn man sich anschaut, was hier ankommt und was dann hier rauskommt, ist das schon bemerkenswert. Unserer Besuchern sage ich dann immer: Das ist unser Produkt und darauf sind wir stolz.“ Zwar verbleiben Bakterien im Wasser, dennoch kann es sich nach dem Klärungsprozess bedenkenlos auf die Reise machen, zunächst in der Goldach, dann in der Isar, bis es in die Donau mündet und schließlich irgendwann im Schwarzen Meer ankommt.

Der Klärungsprozess

Vorher durchläuft das Abwasser zunächst bei einer Hebeanlage die mechanische Reinigung, von dort geht es in den Sandfang, da sich durch die Bautätigkeiten in Hallbergmoos viel Sand im Kanal sammelt. „Anschließend kommt es in die Biologie, davor ist die biologische Phosphatelimination geschaltet, dann geht es in die Nachklärung, dort setzt sich Schlamm ab auf dem Mikroorganismen sitzen“, erklärt Mittermeier das Vorgehen. „Es entstehen Flocken, die wir im Nachklärbecken absetzen können. Die Flocken mit den Bakterien werden zurückbefördert und beginnen mit dem neuen Abwasser zu arbeiten, es handelt sich also um eine Art Kreislaufbetrieb.“

„Niemals hätte ich das gedacht, aber irgendwann habe ich doch hier angefangen und heute liebe ich meine Arbeit, weil sie einfach unglaublich vielfältig ist, viel mit Technik, Chemie und Biologie zu tun hat“

Konrad Mittermeier, Klärwerksleiter

Die Herausforderungen

Kompliziert sei manchmal die Arbeit im Kanal. In den Pumpen sammeln sich Ausscheidungen und Fett: „Ein Mitarbeiter muss die Pumpe herausziehen und zerlegen, denn Fasern am Rad blockieren den Motor.“ Grundsätzlich gebe es zwei Typen von Pumpstationen. Meist ist die Pumpe direkt im Kanal „nass“, seltener in externen Schächte „trocken“ aufgestellt: „Das ist einfacher. Da kann man den Hahn zudrehen und mehr oder weniger in einem sauberen Raum arbeiten“, gibt Mittermeier einen Einblick in die Besonderheiten. Druckleitungen seien zwar kostengünstiger, aber für das Kläranlagen-Team besonders schwierig: „In Neubausiedlungen werden große PVC Rohre verlegt. Wenn dann irgendwo eine Verstopfung ist, weiß keiner, was Sache ist, das hatten wir jetzt schon ein paar Mal, da sind wir oft am Verzweifeln. In einen Kanal schaut man rein und kann sehen wo es läuft und wo nicht“, schildert Mittermeier die Problematik. Ungefähr 3.000 Schächte und 53 Kanäle warten und kontrollieren die Mitarbeiter mindestens einmal im Jahr. Wirklich „schlimm“ sei es, die Schmutzfänger herauszuheben, gibt Mittermeier zu: „Das ist eine echte Plackerei, weil sie unheimlich schwer sind, manchmal sind sie verkeilt, darunter sind eben die Siebe, die wir dann säubern müssen. Diese Arbeit ist wirklich nicht schön.“ Generell dürfe man nicht zimperlich sein, aber die Vergütung könne in allen handwerklichen Berufen im öffentlichen Dienst besser sein, urteilt Mittermeier. „Gerade in einem Bereich, für den es nicht so einfach ist, Personal zu gewinnen.“

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Das gehört NICHT in die Toilette

Besonders wurmen ihn und seine Kollegen der „Missbrauch des Klos“: „Feuchtigkeitstücher, Zigarettenkippen, Damenbinden, Strumpfhosen, Demenzwindeln gehören nicht in die Toilette. Ich frage mich wirklich, wie die Leute es schaffen, das durchzubringen“, äußert sich Konrad Mittermeier verärgert. „Zigarettenkippen sind sehr giftig, was die meisten Raucher unterschätzen. Legen sie die ins Wasser und gießen damit anschließend die Blumen – zack, die sterben.“ Genauso haben Wässer, die chemisch belastet sind, nichts im Ausguss zu suchen. „Das behindert den biologischen Aufbereitungsprozess bei uns, eventuell schädigt es sogar die Mikroorganismen, die wir zur Klärung benötigen. Ein echter Hammer sind beispielsweise Camping-Toiletten.“

Lavendel als Zaubermittel

Trotz aller Job-Hürden erlebt die Klärwerktruppe auch immer wieder besondere Highlights. „Die Leute fragen uns, ob wir ihr Gebiss oder Eheringe gefunden hätten, aber so etwas kommt hier nicht an.“ Legendär ist die Geschichte von einem 10-Jährigen, der mit seiner Schulklasse das Klärwerk besucht: „Er hatte eine echte Gasmaske mit Filter auf, wo er die herhatte, ist uns ein Rätsel“, erinnert sich Mittermeier lachend. „Es war total warm, er fing schon an zu schwanken und durchs Schwitzen hat der Junge fast nichts mehr gesehen. Ich hatte Angst, dass es ihn umhaut und sagte, er solle das Teil abnehmen.“ Schließlich gelingt dem einfühlsamen Klärwerksleiter mit einem einfachen Trick, den Jungen unter seiner Maske hervorzulocken: „Ich habe etwas von unserem Lavendel genommen, in den Händen zerrieben und ihn gebeten, nur ein bisschen die Maske abzunehmen. Er roch daran und war ganz angetan. Daraufhin war das Eis gebrochen und er nahm die Maske ab.“ Überall auf dem Gelände finden sich Blumenbeete: „Gerade weil es sich um ein Klärwerk handelt, gehen wir so gegen Vorurteile vor“, so Mittermeier. Allerdings könne es tatsächlich stärker riechen, wenn Klärschlammabfuhren anstehen, räumt Mittermeier ein.

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Besondere Verbindung

Weil der Job ein eher anrüchiges Image habe, sei der Dachverband für Wasserwirtschaft und Abfall Bayern als Anlaufstelle sehr wichtig, betont Mittermeier: „Da gibt es Kläranlagennachbarschaften, in denen wir uns austauschen, bezüglich Probleme, neuer Technologien und vieles mehr. Untereinander arbeiten wir „extremst“ zusammen, das kenn ich so überhaupt nicht.“, lobt Mittermeier die Zusammenarbeit. „Jeder weiß irgendwie a bisserl was, weil jede Kläranlage anders ist und da helfen wir uns gegenseitig aus, das ist fast schon Freundschaft.“

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Für Sie berichtete Manuela Praxl.

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